Rüchel

Krieg im Zeitalter der Vernunft

Lieblingsschüler Friedrichs des Großen und Gralshüter der friderizianischen Tradition, Reformer des Militärbildungswesens, Ratgeber zwRüchelTitelbildeier Könige, Präsident von Scharnhorsts Militärischer Gesellschaft, Fürsprecher Gneisenaus und Gegenspieler Hardenbergs, Vertrauter der Königin Luise und Duzfreund Blüchers, Vorgesetzter Heinrich von Kleists beim Regiment Garde in Potsdam – das sind nur einige Stichwörter aus dem Leben des preußischen Generals Ernst von Rüchel, der 1806 in der Schlacht bei Jena Napoleon unterlag. Manche Zeitgenossen hielten Rüchel für „Preußens Napoleon“. Andere sahen in ihm wie Clausewitz „eine aus lauter Preußentum gezogene konzentrierte Säure“. Vielen Historikern gilt er als Symbol für einen Ständestaat im Niedergang, dessen Armee an Erstarrung zerbrochen und voller Dünkel in den Untergang marschiert sein soll. Fest steht, dass Rüchel bis 1807 großen Einfluss nicht nur auf alle militärischen Belange Preußens, sondern auch in dessen Verwaltungs-, Wirtschafts- und Außenpolitik besessen hat. Tatsächlich erhellt seine Laufbahn Wandlungsprozesse einer Monarchie, die unter dem Damoklesschwert der Französischen Revolution mehr Dynamik entfaltete als bisher wahrgenommen. Rüchel steht für eine ausklingende Epoche, die Kriege noch einzuhegen hoffte. Er repräsentiert eine Generalität, die keineswegs an dünkelhafter Erstarrung zerbrach, sondern durch jene Zweifel verunsichert wurde, die stets das Heraufziehen neuer Kriegsbilder begleiten. Preußen unterlag nicht, weil Frankreich gesellschaftlich moderner und die Armee ein Spiegel der Gesellschaft war. Preußen unterlag, weil eine fin-de-siècle-Stimmung seine Heerführer so sehr lähmte, dass sie kaum noch an den eigenen Sieg zu glauben vermochten.

Olaf Jessen legt mit seinem fesselnd geschriebenen Buch die erste moderne Biographie Ernst von Rüchels vor. Aus neuen Quellen schöpfend, rekonstruiert er das Lebensbild eines defensiven Modernisierers, der wie kein anderer Stärken und Schwächen des altpreußischen Heeres verkörperte.

Text: Verlag Ferdinand Schöningh 2006

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